11. Inetbib-Tagung an der ETH Zürich

Rahel Birri Blezon, Haute école de gestion, Genève

11. Inetbib-Tagung an der ETH Zürich
Inetbib – Internet in Bibliotheken – ist eine Diskussionsliste, die 1994 von der Universitätsbibliothek Dortmund ins Leben gerufen wurde. Seit 1996 wird in regelmässigen Abständen eine Tagung organisiert – zuerst jährlich, seit 2004 alle zwei Jahre. Die 11. Inetbib-Tagung fand vom 14. bis 16. April 2010 an der ETH Zürich statt. Es nahmen rund 450 Personen teil, hauptsächlich Bibliothekarinnen und Bibliothekare aus Deutschland, Österreich und der Schweiz, aber auch Firmenvertretungen. Die Tagung kann unter dem Motto „Herausforderungen und Innovation“ zusammengefasst werden.

Der Eröffnungs-Block widmete sich dem Thema „Innovationsmanagement“ in der Industrie (Prof. Dr. Roman Boutellier) und in Bibliotheken (Prof. Dr. Ursula Georgy). Neben einer allgemeinen Präsentation des Themas wurde insbesondere darauf eingegangen, wie Innovationsmanagement in deutschen Bibliotheken eingesetzt wird bzw. umgesetzt werden kann. Frau Georgy stellte dazu die Ergebnisse von Experteninterviews mit deutschen öffentlichen und wissenschaftlichen Bibliotheken vor.

Neue Herausforderungen für Bibliotheken

Mehrere Vorträge widmeten sich den neuen Aufgaben, denen sich Bibliotheken stellen müssen. Dr. Matthias Schulze stellte zwei Projekte der Universitätsbibliothek Stuttgart vor: einerseits LiLa – Library of Labs – welches sich mit der Vernetzung von virtuellen Laboren in einem akademischen Kontext beschäftigt. Andererseits BW-eLabs des Landes Baden-Württemberg, bei welchen es um Wissensmanagement in virtuellen und Remote Laboren geht.

Regina Pfeiffenberger ging auf M-Libraries ein und zeigte auf, wie mobile Technologie für Bibliotheksdienstleistungen genutzt werden können: mobile Interfaces, Lokalisierungsdienste, visuelle Suche, Multi-Media-Führungen und SMS-Benachrichtigungen. Da diese Dienste in deutschen Bibliotheken noch keine grosse Rolle spielen, präsentierte sie konkrete Beispiele aus amerikanischen Bibliotheken. Andreas Neumann stellte den mobilen Katalog der BSB München vor.

Dr. Hugo Bertschi berichtete von den Herausforderungen von „Firmen-Bibliotheken“ am Beispiel von Hoffmann-La Roche, die sich nach und nach in virtuelle Bibliotheken wandeln.

Christoph Niemann stellte Projekte vor, die sich mit dem Potenzial von Tagging-Systemen beschäftigt. Ziel ist es, die Tagging-Daten nutzbar zu machen, indem computerlinguistische Verfahren, statistisch-mathematische Methoden des Data-Minings und intellektuelle Evaluation kombiniert werden. Die Tags sollen zur Pflege von kontrollierten Vokabularen wie Thesauri dienen und beim Information Retrieval helfen.

Informationsdschungel

Der zweite Tag begann mit einer Podiumsdiskussion zum Thema „Navigation im Informationsdschungel“. Als Inputreferat sprach Prof. Dr. Hans-Christoph Hobohm über den Technologieradar. Anschliessend diskutierten Julia Bergmann, Mark Buzinkay, Dr. Klaus Döhmer, Norbert Gillmann und Petra Hätscher, wie man sich in der heutigen Zeit im Informatinsdschungel zurechtfinden kann und welche Auswirkungen die neuen Technologien auf Bibliotheken haben.

Bibliothekssysteme

Mehrere Vorträge handelten von Bibliothekssystemen und Portalen. Katrin Fischer stellte das Open-Source-System Koha im Praxiseinsatz vor: seit 2009 wird Koha in einer Hochschulbibliothek in Baden-Württemberg eingesetzt. Die Präsentation ging auf Entwicklung, Community-Building und Funktionsumfang von Koha sowie die Umsetzung der speziellen Anforderungen der Bibliothek ein. Dr. Wiebke Oeltjen nutzte MyCoRe (My Content Repository), um auf das Innovationspotential in Bibliotheken durch Open-Source-Software einzugehen. MyCoRe ist ein System zur Entwicklung von Dokumenten- und Publikationsservern, Archivanwendungen, Sammlungen von Digitalisaten und ähnlichen Repositorien.

Peter Kostädt stellte das neue Webportal der Universitäts- und Stadtbibliothek Köln vor. Dieses beinhaltet ein Reportingmodul, welches alle Klicks auf interne und externe Links aufzeichnet. Auf diese Weise können präzise Aussagen zum Nutzungsverhalten erstellt werden. Der Vortrag fasste die Resultate einer Datenauswertung zusammen und beantwortete unter anderem die Frage, wie Fachdatenbanken genutzt werden, wie Benutzer zu den elektronischen Ressourcen gelangen und ob sich das Scannen von Inhaltsverzeichnissen lohnt, da es doch Google Books gibt.

Johann Brandauer und Victor Babitchev präsentierten das ein Projekt des Österreichischen Bibliotheksverbundes vor, welches sich mit der Einführung von Primo, des Suchmaschinen-Opacs von ExLibris, beschäftigt.

E-lib.ch und ETH-Projekte

Besonders erwähnt werden kann auch die Tatsache, dass mehrere E-lib.ch- und ETH-Projekte die Gelegenheit erhielten, sich vorzustellen. Tobias Viegener stellte die Beta-Version von SwissBib vor, Dr. Wolfram Neubauer das Wissensportal der ETH-Bibliothek. In 5-Minuten-Vorträgen wurden ausserdem folgende Projekte präsentiert:

  • Library Thing (Oliver Thiele)
  • ETH E-Citation (Arlette Piguet)
  • DOI-Registrierung (Angela Gastl)
  • E-Pics (Sabine Wolf)
  • e-rara.ch (Franziska Geisser)
  • Multivio (Miguel Moreira)
  • Rodin (Prof. Dr. René Schneider)
  • Accept (Rahel Birri Blezon)
Web 2.0 und Blick in die Zukunft
Der letzte Tag widmete sich dem Thema, ob Web 2.0 angekommen ist und erlaubte sich auch einen Blick in die Zukunft. Jessica Euler hinterfragte in ihrem Vortrag, ob und wie Microblos wie Twitter als PR-Instrument in Bibliotheken genutzt werden können. Christian Hauschke und Edlef Stabenau gaben einen Erfahrungsbericht zum Thema 2.0-Kompetenzen in Bibliotheken ab und diskutierten die Kluft zwischen „Theorie und Praxis“: auf vielen Bibliothekskongressen und –tagungen wird das Thema „Bibliothek 2.0“ diskutiert, doch in der Praxis werden diese 2.0-Konzepte in den Bibliotheken nur vereinzelt umgesetzt. Der Vortrag wurde durch viele best- und worst-practice Beispiele illustriert. Julia Bergmann, Christoph Deeg und Jin Tan berichteten von der Zukunftswerkstatt, die 2008 gegründet wurde. Der Verein „Zukunftswerkstatt Kultur-und Wissensvermittlung e.V.“ beschäftigt sich mit der Frage, wie kulturelle und wissenschaftliche Inhalte auf unkonventionelle Weise vermittelt werden können.
Patrick Danowski wagte einen Blick in die Glaskugel und fragte sich, was es 2010 Neues gibt und wo es hingeht. Diesem Impulsreferat folgten mehrere 5-Minuten-Vorträge zu unterschiedlichen Themen:
  • Mobile Endgeräte – eReader, Apple Tablet, Visionen (Rudolf Mummenthaler) •
  • Semantic Web, Linked Data, Open Data (Christian Hauschke)
  • Google Wave – Ein Zukunftsmarkt für Bibliotheken? (Andreas Kahl)
  • Sortierung von Suchergebnissen (Till Kinstler)
  • Darstellung von Suchergebnissen (Gerald Steilen)
Führungen und Rahmenprogramm
Während der drei Tage wurden mehrere Führungen organisiert, einerseits in der ETH selber, andererseits in der näheren Umgebung:
  • ETH-Bibliothek • Spezialsammlungen der ETH-Zürich
  • Graphische Sammlung der ETH Zürich
  • Max-Frisch-Archiv
  • Zentralbibliothek Zürich
  • Stadtführung „Altstadtbummel“
Die Abendveranstaltung fand im focusTerra statt, dem erdwissenschaftlichen Forschungs- und Informationszentrum der ETH Zürich.
Abschliessend kann erwähnt werden, dass die 11. Inetbib-Tagung ein voller Erfolg war und viele interessante Themen behandelte.